IR Notes 232 – 13 Juni 2024
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  Eine Frage an
Sophia Reisecker, Leiterin der Abteilung Europa, Konzerne und Internationale Beziehungen der österreichischen Gewerkschaft GPA und Berichterstatterin des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Was sind die wesentlichen Punkte Ihres Berichts zur Überarbeitung der EBR-Richtlinie, der am 30. Mai vom Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss angenommen wurde?
Zur Erarbeitung unserer Stellungnahme haben wir uns zu den Zielen der Kommission geäußert und geprüft, inwiefern sie mit den von ihr vorgeschlagenen Maßnahmen wirklich erreichbar sind. Auf dieser Grundlage haben wir eine Reihe von Empfehlungen formuliert, was am Vorschlag der Kommission geändert werden sollte. Wir haben beispielsweise Fragen zu Klimawandel, Digitalisierung, demographischer Wandel und Fachkräftemangel in den Aufgabenbereich von Europäischen Betriebsräten aufgenommen. Ein weiterer Vorschlag lautet, ein Expertengremium aus Vertretern der Sozialpartner, Mitgliedstaaten und Kommission einzurichten, um die angemessene Umsetzung der Richtlinie zu bewerten, so wie dies bereits in anderen Richtlinien vorgesehen ist. Außerdem unterstützen wir eine Forderung der europäischen Gewerkschaften, die Richtlinie auf Unternehmen auszuweiten, die im Rahmen von Franchise- oder Lizenzvereinbarungen tätig sind. Was die Zukunft bestehender EBR-Vereinbarungen betrifft, haben wir versucht, eine gemeinsame Grundlage mit den Arbeitgebern zu finden. Dies war uns jedoch nicht möglich, weil sie an den Ausnahmeregelungen festhalten. Wir erkennen an, dass es durchaus EBR gibt, die im Rahmen von Vereinbarungen aus der Zeit vor der Richtlinie gut arbeiten, und es wäre riskant, sie in Frage zu stellen. Deshalb haben wir vorgeschlagen, diese EBRs beizubehalten, solange Unternehmensleitung und Arbeitnehmervertreter daran festhalten wollen, und keine neuen Verträge auszuhandeln. Leider ist es uns nicht gelungen, eine Einigung mit den Arbeitgebern zu erzielen, die allein schon die Notwendigkeit einer Überarbeitung in Frage stellten und zu viele wichtige, von der Kommission vorgeschlagene Maßnahmen ablehnten.

 
  Agenda

 


12. Juni
Bourg-la-Reine
Studientagung IRES-ISST zur Publikation: „Was wissen wir von der Arbeit?“, die von Bruno Palier koordiniert wurde.


17. Juni
Straßburg

Seminar (auf Englisch): „Which institutions to promote a well-functioning wage bargaining in Europe“? Vergleich zwischen Frankreich, Deutschland und den skandinavischen Ländern. Ausgerichtet vom Team für Sozialrecht der UMR DRES (s. Programm und Anmeldung).


18. Juni
Laval (Québec, Kanada) und Online

Die Abteilung Arbeitsbeziehungen der Universität Laval und das interuniversitäre Forschungszentrum für Globalisierung und Arbeit CRIMT organisieren eine Hybrid-Konferenz mit dem Titel: „Arbeit: Demokratisieren, dekommodifizieren, dekarbonisieren. Bestandsaufnahme und Herausforderungen für die Sozialwissenschaften“. Referentin: Isabelle Ferreras (s. kostenlose und verbindliche Anmeldung).


25. Juni
Straßburg

Kolloquium über die Diversifizierung des Rechts auf Nichtdiskriminierung am Arbeitsplatz in Europa, u. a. mit Mélanie Schmitt, Nicolas Moizard, Achim Seifert, Pascale Lorber, Juan Carlos Álvarez Cortés und Aleksandra Bochenska.


27.-30. Juni
New York
20. Kongress der International Labour and Employment Relations Association
(ILERA)


5. Juli
Bordeaux

Kolloquium zum Thema „Seit Maastricht, 30 Jahre soziales Europa - Gerichtshof und Sozialrecht der Europäischen Union“, ausgerichtet vom Institut für Arbeit der Universität Bordeaux. Kontakt: institutdutravail@u-bordeaux.fr


19. und 20. September
Bordeaux
Jährliches internationales Kolloquium von CIECST - Comparative occupational health studies: „Ageing of the working population: occupational health, return to work, and retirement policy issues (s. Anmeldung).


 
  Über uns

 


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In den Schlagzeilen
Soziales Europa: Erwachen oder lange Lethargie?

Obwohl rechtspopulistische und extrem rechte Parteien in den großen Mitgliedstaaten (Deutschland, Frankreich, Italien, Polen) und in Österreich besonders hohe Stimmanteile erzielten, konnten sie nicht die Vorherrschaft im Europäischen Parlament erringen. Dem derzeitigen Bündnis aus konservativer EVP, Sozialdemokraten und zentristisch-liberaler Renew steht nun die Möglichkeit offen, eine neue Koalition mit einer absoluten Mehrheit zu bilden. Eine Mehrheit, die auch die Wiederwahl der jetzigen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sichern könnte. Also bleibt alles beim Alten? Für die europäischen Gewerkschaften, die nicht müde werden, die rechtsradikalen Parteien zu bekämpfen, weil diese, wie sie erklären, systematisch gegen die Interessen der Beschäftigten stimmten, kann es angesichts des Erfolgs der Rechten weder ein „Business as usual“, noch Gespräche über ein Bündnis zwischen Konservativen, Liberalen und Rechtsaußenfraktionen geben. Die Ergebnisse „zeigen ganz klar, dass wir nicht so weitermachen können wie bisher“, sagt Esther Lynch, Generalsekretärin des Europäischen Gewerkschaftsbundes. „Europa muss dringend die wirtschaftliche und soziale Unsicherheit angehen, die für die wachsende Wut und Angst in unserer Gesellschaft verantwortlich ist“ (s. Pressemitteilung). Der europäische Gewerkschaftsverband IndustriAll Europe ruft die demokratischen Kräfte auf, „zusammenzuarbeiten, um Europa das zu geben, was es braucht, damit es den Herausforderungen unserer Zeit gerecht werden kann: Investitionen, Zusammenhalt und Solidarität“ (s. Pressemitteilung). Der Gewerkschaftsverband plädiert für einen gerechten Übergang, ebenso wie die Europäische Transportarbeiter-Föderation, die mehr Investitionen in öffentliche Dienstleistungen und im öffentlichen Verkehr fordert (s. Pressemitteilung). Von der Arbeitgeberseite hat keiner der drei europäischen Verbände eine Erklärung abgegeben. Der Eindruck von Stabilität darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die jüngsten Fortschritte des sozialen Europas wohl nur schwer wiederholen lassen: 1. Das von Natur aus recht progressive Parlament wird nun konservativer, mit einer extremen Rechten, die an Einfluss gewinnt; 2. der Rat riskiert angesichts der nationalen Ergebnisse ebenfalls, aufgrund gestärkter Regierungskoalitionen aus rechten Parteien oder rein rechter Regierungen, noch weniger progressiv zu werden. So können wir nur auf bestimmte Europaabgeordnete wie Dennis Radtke (EVP) setzen, die es verstehen, Veränderungen zu bewirken. Doch er wird nicht mehr auf die Unterstützung seiner sozialdemokratischen Kollegin Agnes Jongerius (S&D) zählen können, die nicht mehr zur Wahl angetreten ist. Der richtungsweisende Kommissionspräsident und Vater des sozialen Europas Jacques Delors gab die folgende dreiteilige Losung für eine funktionierende Europäische Union aus: „Wettbewerb, der stimuliert, Zusammenarbeit, die stärkt, und Solidarität, die vereint“. Wir sind dabei, die beiden letzten Säulen zu verlieren.


1. Europäische Union
Gesetzgebung

Bekämpfung des Menschenhandels : Am 27. Mai nahm der Rat die Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 2011/36 zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer endgültig an. Bestimmte Aspekte betreffen juristische Personen, also Unternehmen: 1. Die Sanktionen gegen Unternehmen, die wegen Menschenhandels verurteilt worden sind, werden weiter gefasst. So können Mitgliedstaaten diese Unternehmen von Verfahren zur Auftrags- oder Konzessionsvergabe ausschließen. 2. Die Mitgliedstaaten müssen darauf achten, dass die Opfer nicht für Straftaten verfolgt oder bestraft werden, beispielsweise Schwarzarbeit, zu denen diese sich gezwungen sahen, als unmittelbare Folge davon, dass sie dem Menschenhandel ausgesetzt waren. Sie sollen vielmehr ermutigt werden, Straftaten zu melden oder Hilfe und Unterstützung in Anspruch zu nehmen. 3. Die Richtlinie stellt die Inanspruchnahme von Diensten unter Strafe, die von Opfern des Menschenhandels erbracht werden, wenn das Unternehmen weiß, dass die Person, die den Dienst erbringt, Opfer des Menschenhandels ist. Eine zusätzliche Belastung für Unternehmen, die zur Sorgfaltspflicht hinzukommt. Der Rechtsakt muss innerhalb von zwei Jahren umgesetzt werden (s. Pressemitteilung des Rats).



Vorhaben

Standpunkt des Rates zur EBR-Richtlinie : Der Rat verabschiedete am 5. Juni die vierte Kompromissfassung des Vorschlags für eine Richtlinie zur Überarbeitung der EBR-Richtlinie (s. IR Notes 222). Diese Fassung ist nun die Verhandlungsposition des Rates und wird dem Rat für Beschäftigung und Soziales am 20. Juni zur Annahme vorgelegt. Die Trilog-Verhandlungen werden beginnen, sobald das neue Europäische Parlament seine Arbeit aufgenommen hat. Dieses muss zunächst auf der Grundlage des Radtke-Berichts sein Verhandlungsmandat annehmen (s. IR Notes 228). Im Kompromiss sind u. a. die folgenden Änderungen vorgesehen:  1. Transnationalität: Als länderübergreifend können von der Unternehmensleitung geplante Maßnahmen“ eingestuft werden, die „nach vernünftigem Ermessen die Beschäftigten“ des Konzerns „oder dessen Standorte in einem Mitgliedstaat beeinträchtigen können“, sowie die Folgen dieser Maßnahmen, die Beschäftigte in einem anderen Mitgliedstaat nach vernünftigem Ermessen beeinträchtigen können. Erwägungsgrund 5 präzisiert, dass das Konzept der länderübergreifenden Angelegenheiten „die Maßnahmen betrifft, die Beschäftigte wesentlich beeinträchtigen könnten, d. h. in einer Weise, die sie nicht unwesentlich beeinträchtigen und nicht nur einzelne Mitarbeiter oder gewöhnliche betriebliche Entscheidungen betreffen“. Ferner muss „das vernünftige Ermessen objektiv ermittelt werden, unter Berücksichtigung der Art und des Ziels der geplanten Maßnahmen und der Umstände des jeweiligen Falls. 2. Sachverständige: Den Änderungen zufolge sollen finanzielle und materielle Mittel, die dem EBR zur Verfügung gestellt werden, auch die Hinzuziehung von Sachverständigen abdecken, „darunter auch Rechtssachverständige“. 3. Rechtsmittel: Eurobetriebsräte oder besondere Verhandlungsgremien müssen „Zugang zu Gerichtsverfahren oder ggf. Verwaltungsverfahren“ haben.  „Die angemessenen Kosten für eine Rechtsvertretung oder die Teilnahme an diesen Verfahren werden von der Unternehmensleitung getragen“, sofern die Mitgliedstaaten keine „anderen Maßnahmen ergreifen, um eine De-facto-Einschränkung dieses Zugangs wegen fehlender finanzieller Mittel zu vermeiden“.  4. Bestehende Vereinbarungen: Im Kompromiss werden alle Ausnahmeregelungen gestrichen, die in den früheren Richtlinien erlaubt waren und anhand derer Vereinbarungen von den Richtlinien inhaltlich abweichen konnten. Wurde eine EBR-Vereinbarung unter einer früheren Richtlinie geschlossen, und sie entspricht nicht den Änderungen der neuen Richtlinie gemäß Art. 6 (in dem es um den Inhalt von EBR-Vereinbarungen geht), muss die Unternehmensleitung Verhandlungen einleiten, entweder auf eigene Initiative oder auf Antrag von mindestens 100 Beschäftigten (oder ihrer Vertreter) von mindestens zwei Betrieben aus zwei verschiedenen Mitgliedstaaten. Sollte es innerhalb von zwei Jahren zu keiner Einigung kommen, treten die subsidiären Vorschriften in Kraft. Im Kompromissvorschlag wird darauf hingewiesen, dass diese Bestimmung nicht die Einhaltung der Mindestvorschriften der neuen Richtlinie beeinträchtigen darf. 5. Subsidiäre Vorschriften: Die Zuständigkeiten des EBR werden um Belange im Zusammenhang mit dem ökologischen und digitalen Wandel erweitert. Mindestens eine Tagung im Jahr muss als Präsenztagung abgehalten werden.



Standpunkte der Sozialpartner : Der Kampf um den Einfluss auf die Vertreter der Mitgliedstaaten im Rat im Rahmen der Überarbeitung der EBR-Richtlinie hat sich mit einer neuen gemeinsamen Erklärung europäischer Arbeitgeberverbände (CEEMET, HOTREC, EuroCommerce, EBF, ECEG und BusinessEurope) vom 31. Mai weiter verschärft. Sie bekräftigen ihren Widerstand gegen eine Reihe von Maßnahmen, unter anderem gegen die Abschaffung der Ausnahmeregelungen in früheren Richtlinien (s. oben). Diese Initiative veranlasste den Europäischen Gewerkschaftsbund und sechs europäische Gewerkschaftsverbände, sich am 3. Juni in einem Schreiben an die Vertreter der Mitgliedstaaten zu wenden. „Der starke Widerstand der Arbeitgeberseite gegen jeden Fortschritt in dieser Angelegenheit überrascht uns. Wir haben den Eindruck, dass die Arbeitgeber, trotz gegenteiliger Behauptungen, das Recht auf Unterrichtung und Anhörung ihrer europäischen Beschäftigten vorsätzlich untergraben wollen“, heißt es darin, und die Gewerkschaften fordern den Rat auf, die Richtlinie zügig zu verabschieden, sobald das neue Europäische Parlament seine Arbeit aufgenommen hat.



Verhärtete Fronten bei der EBR-Richtlinie : Dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) ist es nicht gelungen, mit einer Stimme zu sprechen und seine Stellungnahme zum Vorschlag der Überarbeitung der EBR-Richtlinie konnte nur mit knapper Mehrheit angenommen werden (s. IR Notes 222). Der Ausschuss setzt sich aus drei Gruppen zusammen: Arbeitnehmer, zivilgesellschaftliche Organisationen und Arbeitgeber (s. European Economic and Social Committee). Letztere haben die Stellungnahme nicht unterstützt, die der Initiative der Kommission folgt, die meisten Maßnahmen als sinnvoll erachtet und die Forderungen der europäischen Gewerkschaften aufgreift. Die Arbeitgeber haben stattdessen einen Änderungsantrag mit einer vollständig umgeschriebenen Stellungnahme eingebracht. Diese wurde dank der Unterstützung eines Teils der zivilgesellschaftlichen Vertreter von mehr als 25 % der EWSA-Mitglieder unterstützt und der Stellungnahme als Anhang beigefügt. Infolgedessen hat die EWSA-Stellungnahme nicht dieselbe Wirkung, als wenn sie mit breiter Zustimmung verabschiedet worden wäre, doch kann sie den progressiven Fraktionen im Parlament als Unterstützung dienen. Die Stellungnahme übernimmt im Wesentlichen eine - im Vorschlag der Kommission ausgeschlossene - Forderung der Gewerkschaften, Unternehmen in den Anwendungsbereich der Richtlinie aufzunehmen, „die im Rahmen einer Franchise- oder Lizenzvereinbarung Waren verkaufen oder Leistungen erbringen“. Neu ist der Vorschlag über den „Einsatz eines Expertenausschusses, um die Anwendung der Rechtsvorschriften zu unterstützen“. Ein weiterer Vorschlag zielt darauf ab, die Zuständigkeit des EBR auf „Investitionen, Aus- und Weiterbildung, Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz, Datenschutz und Klimawandel“ auszuweiten. Eurobetriebsräte sollten ferner „das Recht haben, selbst Themen vorzuschlagen, mit denen sie sich beschäftigen wollen“. Zur Geheimhaltung vertritt der EWSA wie die europäischen Gewerkschaften die Auffassung, „die EBR-Mitglieder sollten Informationen mit den Gewerkschaften oder Arbeitnehmervertretern auf nationaler oder betrieblicher Ebene teilen können“.


Rechtsprechung

Essen Piloten mehr als Flugbegleiter? : Der Generalanwalt des Gerichtshofs der Europäischen Union hat am 6. Juni seine Schlussanträge in einer Sache vorgelegt, in der es um eine Diskriminierung des Flugkabinenpersonals von Air Nostrum gegenüber dem technischen Flugpersonal derselben Fluggesellschaft geht. Zur Deckung der auf Dienstreisen anfallenden Verpflegungskosten erhält das technische Flugpersonal ein Tagegeld zwischen 65 und 100 Euro auf nationalen oder internationalen Flügen, während dem Flugkabinenpersonal für dieselben Dienstreisen lediglich zwischen 37,06 und 59,06 Euro erstattet werden. Die Höhe dieser Tagegelder ist in zwei verschiedenen Tarifverträgen festgelegt, die vom Arbeitgeber mit den Gewerkschaften abgeschlossen wurden, die die beiden Berufsgruppen vertreten. Da das technische Flugpersonal zu 93 % aus Männern, das Flugkabinenpersonal zu 93 % aus Frauen besteht, legt das spanische Gericht dem Gerichtshof die Frage nach einer möglichen mittelbaren Diskriminierung vor (s. Indirect discrimination). Kann das Vorliegen von zwei unterschiedlichen Tarifverträgen eine objektive Rechtfertigung für die hier vorliegende Ungleichbehandlung sein? Der Generalanwalt verneint diese Frage. Der Gerichtshof wird im Laufe des Jahres ein Urteil sprechen (EuGH, Schlussantr. 6. Juni 2024, Cs. C-314/23).


2. Mitgliedstaaten
Spanien

LGBTI : Das Arbeitsministerium kündigte am 6. Juni eine landesweite Vereinbarung mit Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden an, um die Arbeitsumgebung für LGBTI-Personen gleichberechtigter zu gestalten und damit das Gesetz 4/2023 vom 28. Februar für die tatsächliche und effektive Gleichstellung von Transgender-Personen und für die Gewährleistung der Rechte von LGTBI-Personen zu ergänzen (s. IR Notes 199 und Artikel in El Pais).


Italien

Künstliche Intelligenz : Die Regierung hat am 2. Juni ein neues Gesetzesvorhaben zur Künstlichen Intelligenz (KI) vorgelegt, das die am 13. März verabschiedete europäische Verordnung in nationales Recht umsetzt (s. IR Notes 226). Gemäß Art. 10, in dem es um Arbeitsbeziehungen geht, muss KI eingesetzt werden, um im Einklang mit dem EU-Recht die Arbeitsbedingungen zu verbessern, die Gesundheit der Beschäftigten zu schützen, die Qualität der Arbeitsleistung und die Produktivität der Beschäftigten zu erhöhen. Abgesehen von diesen Zielen sind die im Gesetz vorgesehenen Maßnahmen alles andere als klar umrissen und müssen noch präzisiert werden. Es wird darauf hingewiesen, dass der Einsatz von KI am Arbeitsplatz sicher, zuverlässig, transparent sein muss und weder die Menschenwürde beeinträchtigen, noch die Vertraulichkeit personenbezogener Daten verletzen darf. Die Beschäftigten müssen bei der Einstellung über den Einsatz von KI informiert werden.


3. Drittstaaten
Großbritannien

EBR werden abgeschafft : Am 16. Mai leitete die Regierung eine öffentliche Konsultation zur Abschaffung der EBR-Rechtsvorschriften ein, die nach dem Brexit aufrechterhalten worden waren, damit die EBRs von Unternehmen mit Sitz in Großbritannien weiterhin arbeiten konnten, wobei keine neuen EBR mehr eingerichtet werden durften (s. Brexit and labour standards).  Da die Regierung „zu keinem Zeitpunkt die Absicht hatte, Eurobetriebsräte in Großbritannien weiterhin arbeiten zu lassen“, schlägt sie jetzt die Abschaffung des Rechtsrahmens für EBRs vor. Damit würde die derzeit doppelte Verpflichtung britischer Unternehmen entfallen, einen EBR nach britischem Recht aufrechtzuerhalten und gleichzeitig einen EBR nach dem Recht eines EU-Mitgliedstaates in Übereinstimmung mit den europäischen Rechtsvorschriften einzurichten. Der Regierung zufolge würde die Abschaffung der erfassten 67 britischen EBRs für die Unternehmen Einsparungen in Höhe von 4,4 bis 7,2 Millionen Pfund bedeuten. Ferner könnten damit auch „die derzeitigen Umweltauswirkungen verringert“ werden. Arbeitnehmer hätten laut dem Konsultationspapier davon keine Nachteile: denn eine Reihe von EBRs seien ineffizient, und ihre Rolle könne von den Gewerkschaften oder durch andere Formen der Arbeitnehmervertretung übernommen werden.


4. Unternehmen
Europäische Betriebsräte

Umstrukturierung : Unilever kündigte im März den Verkauf seiner Eiscreme-Sparte an (7.500 Beschäftigte), ohne seinen EBR darüber unterrichtet und angehört zu haben. Dieser hat eine Kooperationsvereinbarung mit den drei italienischen Gewerkschaften FAI-CISL, FLAI-CGIL und UILA-UIL geschlossen, um sich in den Gesprächen größeres Gehör zu verschaffen.



Verhandlungen : Die schwedische Verlagsgruppe Karnov (1.200 Beschäftigte) hat am 3. und 4. Juni in Paris ein besonderes Verhandlungsgremium zur Aushandlung einer EBR-Vereinbarung gebildet. Durch die Übernahme eines Teils der spanischen und französischen Aktivitäten der niederländischen Gruppe Wolters Kluwer, die über einen EBR verfügt, ist Karnov zu einem Konzern von europäischer Dimension geworden. Die Vereinbarung wird nach schwedischem Recht ausgehandelt.


Soziale Verantwortung

Belegschaftsaktien : Der Nahrungsmittelkonzern Bel kündigte am 29. Mai an, den Status eines „Entreprise à mission“, eines Unternehmens mit besonderem Nachhaltigkeitsauftrag, nach französischem Recht anzunehmen und ein weltweites Beteiligungsprogramm für Beschäftigte einzuführen. Dieser Plan startete 2014 in Frankreich und wird in den anderen Ländern bis 2026 umgesetzt, mit dem Ziel, ein Wertschöpfungsmodell zu schaffen, das allen Beteiligten zugutekommt (s. Pressemitteilung).

 


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