IR Notes 219 – 29 November 2023
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  Eine Frage an …
Esther Lynch, Generalsekretärin des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB)

Als EGB-Generalsekretärin waren Sie die Verhandlungs-führerin für eine Europäische Rahmenvereinbarung zur Telearbeit und zum Recht auf Nichterreichbarkeit. Die Verhandlungen sind gescheitert. Ist der europäische Sozialdialog auf branchenübergreifender Ebene damit klinisch tot?
Es ist nicht das erste Mal, dass dies passiert. 2001 scheiterten die Verhandlungen über eine Europäische Rahmenvereinbarung zur Leiharbeit, und das war nicht das Ende des sozialen Dialogs. Also wird er auch dieses Mal nicht am Ende sein. Es hängt jetzt vornehmlich vom Vorgehen der Arbeitgeber in den kommenden Wochen ab. Ich denke, sie sollten vor allem die Europäische Kommission dabei unterstützen, schnell einen Legislativvorschlag vorzulegen. Wir müssen aus dieser Erfahrung lernen, und sie wird sich darauf auswirken, wie die beiden Sozialpartner bei verschiedenen Themen künftig zusammenarbeiten. Wenn Verhandlungen auf nationaler Ebene oder in den Betrieben scheitern, haben Sie die Möglichkeit, einen Streik auszurufen. Auf europäischer Ebene steht uns dieses Instrument nicht zur Verfügung. Der europäische soziale Dialog baut auf Zusammenarbeit und Verständigung. Wenn es keine Zusammenarbeit oder Verständigung gibt, bleibt uns nichts anderes übrig, als dies anzuerkennen und die Europäische Kommission ausdrücklich aufzufordern, den nächsten Schritt zu tun und einen Vorschlag für eine Richtlinie vorzulegen. Sie hat die Zeit, dies noch vor Ablauf ihrer Amtszeit zu tun.

 
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In den Schlagzeilen
Scheitern der Verhandlungen über Telearbeit und Recht auf Nichterreichbarkeit schwächen europäischen sozialen Dialog

„Ich appelliere eindringlich an die Sozialpartner, eine Einigung über das Recht auf Nichterreichbarkeit zu erzielen. Ein Scheitern hätte schwerwiegende Folgen für den sozialen Dialog zu einem Zeitpunkt, an dem er nötiger ist als je zuvor.“ Der Appell von Nicolas Schmit, EU-Kommissar für Beschäftigung und soziale Rechte, wurde nicht befolgt. Die Verhandlungen scheiterten. Am 9. November gab Eurocadres bekannt, dass zwei der drei Arbeitgeberdelegationen den Verhandlungstisch verlassen haben, was das Ende des Prozesses bedeutete (s. IR Notes 218). Danach dauerte es noch 15 Tage, bis sich EGB und Kommission offiziell dazu äußerten, während sich die Arbeitgeberverbände weiterhin in Schweigen hüllen (s. Pressemitteilung des EGB).
Die Kommission sprach gegenüber IR Notes ihr Bedauern darüber aus, „dass die Sozialpartner die Verhandlungen nicht zu einem positiven Abschluss gebracht haben. Sie wird jetzt die beste Vorgehensweise prüfen - unter Wahrung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, der Subsidiarität, der besseren Rechtsetzung und entsprechend der von der Präsidentin eingegangenen Verpflichtung in Bezug auf die Entschließungen nach Art. 225 AEUV“. Denn Ursula von der Leyen hatte sich verpflichtet, positiv auf diese Entschließungen zu reagieren, denen zufolge das Parlament die Kommission auffordern kann, einen Legislativvorschlag zu unterbreiten, wie es dies bei diesem Thema getan hat (s. IR Notes 156).
Da die Sozialpartner nicht in der Lage waren, zu diesen Themen, für die sie eigentlich zuständig sind, eine Einigung zu erzielen, wird die Kommission aufgefordert, zwei Richtlinienvorschläge zu unterbreiten - einen für die Telearbeit und das Recht auf Nichterreichbarkeit, den anderen für die Überarbeitung der EBR-Richtlinie. Und das alles in einem sehr kurzen Zeitfenster, nämlich vor den Europawahlen im Juni 2024. Diese Situation wirft Fragen zur derzeitigen Effizienz des branchenübergreifenden Sozialdialogs auf. Fest steht, dass er die „Supermacht“ vergeudet, die ihm durch den AEUV verliehen wird. Denn wenn die Sozialpartner sich über einen Text einigen, können sie verlangen, dass dieser - wie sie es bei einer Vereinbarung über die Telearbeit und das Recht auf Nichterreichbarkeit vorgesehen hatten (s. IR Notes 189) - in einer für alle Mitgliedstaaten verbindlichen Richtlinie festgeschrieben wird, ohne dass Rat oder Parlament den Inhalt verändern können. Auf diesem Wege wurden die Richtlinien über Elternzeit, Teilzeit und befristete Arbeitsverträge angenommen (s. European social dialogue). Seit Anfang der 2000er-Jahre haben sie diese Quasifunktion als Gesetzgeber nicht mehr wahrgenommen. Damals scheiterten die Verhandlungen über die Leiharbeit. Der Nachhall dieses erneuten Versagens wird auf dem Sozialgipfel in Val Duchesse im kommenden Januar zu spüren sein.


1. Europäische Union
Gesetzgebung

Stärkung der Fachkräftemobilität : Am 15. November hat die Europäische Kommission neue Initiativen zur Kompetenz- und Fachkräftemobilität vorgestellt, „die Europa attraktiver für auswärtige Talente machen und die innereuropäische Mobilität erleichtern sollen“ (s. Third-country nationals): 1. Eine Mitteilung zu Kompetenz- und Fachkräftemobilität. 2. Ein Vorschlag für eine Verordnung zur Einrichtung eines EU-Talentpools in Form einer digitalen Plattform („Talentpool“), um die Anwerbung von Arbeitsuchenden aus Drittländern für Mangelberufe zu vereinfachen. 3. Eine Empfehlung zur Anerkennung der Qualifikationen von Drittstaatsangehörigen), um die Anerkennung von Kompetenzen und Qualifikationen dieser Staatsangehörigen zu erleichtern und zu beschleunigen. 4. Ein Vorschlag für eine Empfehlung des Rates mit dem Titel „Europa in Bewegung – Lernmobilität für alle“, mit dem besonders die EU-weite Mobilität von Schülern, Studenten und Auszubildenden gefördert werden soll (s. Pressemitteilung der Kommission und Fragen und Antworten). Der Europäische Gewerkschaftsverband IndustriAll Europe ist der Ansicht, dass dieses Maßnahmenpaket, „das sich hauptsächlich auf die Anwerbung ausländischer Arbeitnehmer nach Europa über die Plattform Talent Pool konzentriert, das Ziel des Fachkräftemangels verfehlt“. Dieser könne, „nur mit einem nachhaltigen langfristigen Ansatz auf der Grundlage von Ausbildung und hochwertigen Arbeitsplätzen“ sowie der Anerkennung eines „Rechts auf Bildung“ behoben werden. Nur massive Bemühungen zur Stärkung der Kompetenzen könnten die Herausforderungen des grünen und digitalen Wandels bewältigen (s. Pressemitteilung).



Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz : Die Verhandlungsführer von Parlament und Rat gelangten am 14. November zu einer vorläufigen Einigung über die Richtlinie zur Änderung der Richtlinien 98/24/EG und 2004/37/EG in Bezug auf die Grenzwerte von Blei seiner anorganischen Verbindungen sowie Diisocyanate. Vor seiner Veröffentlichung muss der Text noch von Parlament und Rat förmlich angenommen werden. Der Grenzwert für berufsbedingte Exposition gegenüber Blei wird auf 0,03 mg/m3 festgelegt. Der biologische Grenzwert wird zunächst auf 30 µg/100 ml festgelegt, nach einer dreijährigen Übergangszeit wird er auf 15 µg/100 ml gesenkt. Die Mitgliedstaaten müssen eine regelmäßige medizinische Überwachung der Beschäftigten einführen, die mehrere Jahre lang Blei ausgesetzt waren. In der neuen Richtlinie werden zum ersten Mal Grenzwerte für Diisocyanate festgelegt: 6µg NCO/m3 – das ist die Höchstkonzentration, der ein Arbeitnehmer an einem achtstündigen Arbeitstag ausgesetzt sein darf - und 12µg NCO/m3 bei einer Exposition von 15 Minuten. Die Kommission verpflichtet sich, diese Grenzwerte bis 2029 zu überprüfen (s. Pressemitteilung der Kommission und des Parlaments).


Aktuelle soziale Themen

Europäisches Semester : Die EU-Kommission hat am 21. November den Zyklus des Europäischen Semesters eingeleitet, das die Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten koordinieren soll (siehe European Semester). Ziel ist die „Förderung von nachhaltiger Umweltpolitik, Produktivität, Gerechtigkeit und volkswirtschaftlicher Stabilität und damit Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit“ (s. Pressemitteilung).  In ihren Empfehlungen an die Mitgliedstaaten fordert die Kommission diese auf, „Lohnentwicklungen [zu] unterstützen, mit denen die Kaufkraftverluste insbesondere für Geringverdiener abgemildert werden, wobei der Wettbewerbsdynamik gebührend Rechnung zu tragen ist und dauerhafte Divergenzen innerhalb des Euro-Währungsgebiets zu vermeiden sind“. Des Weiteren geht es um die Behebung von Arbeitskräftemangel durch „Weiterbildung und Umschulung“, „aktive arbeitsmarktpolitische Maßnahmen“ sowie „legale Migration von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aus Drittstaaten in Mangelberufen“ „komplementär zur Talenterschließung innerhalb der EU“.  Der gemeinsame Beschäftigungsbericht merkt an, dass „trotz Erhöhung der Nominallöhne, die Reallöhne 2022 in fast allen Mitgliedstaaten im unterschiedlichen Ausmaß gesunken sind“. Und weiter: „Dies unterstreicht die Bedeutung der ausgewogenen Lohnfindungsmechanismen, die sich insbesondere auf einen starken sozialen Dialog sowie wirksame Tarifverhandlungen gemäß den nationalen Praktiken stützen.“ Zum ersten Mal verzeichnet der Bericht die Fortschritte bei der Umsetzung der Ziele der EU und Mitgliedsstaaten bis 2030 in den Bereichen Soziales, Beschäftigung und Kompetenzen. Alle Dokumente werden den europäischen Instituten und europäischen Sozialpartnern vorgelegt, damit sie im Frühjahr 2024 angenommen werden können.



Gerechter Übergang: : Am 23. November hat das Europäische Parlament eine Entschließung zur Schaffung von Arbeitsplätzen - gerechter Übergang und nachhaltiges Investieren angenommen. Darin fordert es die EU-Kommission u. a. auf, „in Absprache mit den Sozialpartnern einen EU-Rahmen für Höchsttemperaturen am Arbeitsplatz vorzuschlagen, einschließlich der Unterbrechung, Verkürzung oder Umgestaltung der Arbeitszeit und längerer Pausen bei Überschreitung bestimmter Temperaturen, der Verpflichtung zur Einrichtung wirksamer Belüftungssysteme für die Arbeit in Innenräumen, der obligatorischen Schutzausrüstung und, mit Unterstützung der nationalen Sozialversicherungssysteme, der Entschädigung für Arbeitsausfälle aufgrund extremer Witterungsbedingungen“. Das Parlament fordert ebenfalls „die Einführung eines verbindlichen subjektiven Rechts“ auf Bildung und „eine neue Rahmenrichtlinie zur Antizipation und Bewältigung des Übergangs einzuführen, die für eine rechtzeitige und wirksame Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer und Gewerkschaften über die Pläne und Strategien der Unternehmen mit Auswirkungen auf die Arbeitsplätze“ sorgt sowie die Aktualisierung der Richtlinie 2002/14/EG, damit die Rechte auf Unterrichtung und Anhörung in die Übergangspläne aufgenommen werden (s. Just transition).


2. Mitgliedstaaten
Deutschland

Integration von Geflüchteten aus der Ukraine : Die Regierung kündigte an, die Integration von ukrainischen Geflüchteten in den Arbeitsmarkt mit dem Plan „Job-Turbo“ zu beschleunigen. Sie ermutigt Unternehmen, Geflüchtete einzustellen, auch wenn sie noch nicht so gut Deutsch sprechen, indem sie ihnen die Möglichkeit geben, weiterhin an einem Sprachkurs teilzunehmen (s. Pressemitteilung). Zur Unterstützung dieses Programms unterzeichneten Arbeitsministerium, Bundesagentur für Arbeit und Sozialpartner am 20. November eine gemeinsame Erklärung (s. Pressemitteilung).


Österreich

Toiletten für alle : Zum Welttoilettentag am 19. November übte die Gewerkschaft Vida scharfe Kritik am größten Busunternehmen PostBus (4.000 Beschäftigte, davon 90 % Männer), das seinen Fahrern und Fahrerinnen als Alternative „zum Weg ins Grüne, um sich zu erleichtern“ Urinflaschen anbietet. Die Gewerkschaft missbilligt diese Lösung, zumal in Österreich das Urinieren in der Öffentlichkeit hart bestraft wird, und fordert, „dass es zumindest an den Start- und Endpunkten von Linien Toiletten und Waschmöglichkeiten mit Fließwasser geben müsste“ (s. Pressemitteilung). Eine ähnliche Situation, so kritisiert die Gewerkschaft, herrscht in Niederösterreich, wo der Zugang zu Toiletten kein Kriterium bei den Ausschreibungen für den öffentlichen Nahverkehr ist (s. Pressemitteilung).


Zypern

Gesetz zur Telearbeit : Das Parlament hat ein Gesetzesvorhaben zur Regelung von Telearbeit im Privatsektor endgültig verabschiedet. Demnach wird der Arbeitgeber verpflichtet, die daraus entstehenden Kosten der Beschäftigten zu übernehmen und ihnen die erforderliche technische Unterstützung zu bieten. Der Arbeitgeber muss dafür sorgen, dass eine schriftliche Bewertung der Risiken im Zusammenhang mit Telearbeit erfolgt, um die Gesundheit und Sicherheit der Telearbeitenden sowie ihr Recht auf Nichterreichbarkeit angemessen zu gewährleisten (s. Pressemitteilung des Arbeitsministeriums).


Frankreich

Teilhabeprämien-Gesetz : Das Parlament hat am 22. November das Gesetzesvorhaben endgültig verabschiedet, das die landesweite branchenübergreifende Vereinbarung vom 10. Februar 2023 über die Teilhabeprämie in Unternehmen (s. IR Notes 203) gesetzlich verankert. Unternehmen mit 11 bis 49 Beschäftigten werden probeweise für einen Zeitraum von fünf Jahren ab Inkrafttreten des Gesetzes verpflichtet, mindestens ein Teilhabe-Modell (Gewinnbeteiligung) einzuführen, darunter ein neues mit der Bezeichnung „Plan zur Beteiligung am gesteigerten Unternehmenswert“ (plan de partage de la valorisation de l’entreprise). Dazu gehören auch Maßnahmen, um die Regelungen zur Teilhabeprämie zu vereinfachen und eine betriebliche Kapitalbeteiligung zu entwickeln.


Italien

Bankensektor : Die Sozialpartner des Bankensektors (260.000 Beschäftigte) schlossen am 23. November einen neuen Tarifvertrag ab, der Lohnerhöhungen und eine Reihe von Neuerungen vorsieht, wie die Kürzung der Arbeitszeit um wöchentlich 30 Minuten, um bis zum 1. Juli 2024 auf 37 Wochenstunden zu kommen. Die Einführung einer Form der Arbeitnehmerbeteiligung an der Unternehmensführung wird im Tarifvertrag an Verhandlungen auf Unternehmensebene  delegiert  (s. Mitteilungen von First CISL, FISAC CGIL, AIB und UNI Europa). Ferner haben die Sozialpartner die „Absichtserklärung zur Förderung der Rückzahlung von Krediten durch Frauen, die Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt geworden sind“ um  zwei Jahre verlängert (s. Sitzungsprotokoll).


3. Drittstaaten
USA

Sorgfaltspflicht : Der Präsident der Vereinigten Staaten veröffentlichte am 16. November ein Memorandum mit fünf Schwerpunkten zur Verbesserung der Rechte von Arbeitnehmern weltweit durch Handel und Diplomatie. Alle Bundesministerien und Bundesbehörden sind aufgefordert, sich zu verpflichten, „hohe Arbeitsstandards zu gewährleisten, den Arbeitnehmern bei Entscheidungsprozessen Gehör zu verschaffen und Vorschriften gegen unfaire Arbeitspraktiken durchzusetzen, darunter auch gegen Zwangsarbeit und die Verweigerung des Vereinigungsrechts.  Eine interessante Initiative, die indirekt alle großen, weltweit tätigen Konzerne betrifft, die weiterhin die Verletzung sozialer Grundrechte dulden.


4. Unternehmen
Europäische Betriebsräte

Gesundheit und Pflege : Der Europäische Gewerkschaftsverband für den öffentlichen Dienst (EGÖD) richtete am 20. und 21. November ein Seminar aus, um zu erörtern, wie Eurobetriebsräte die gewerkschaftliche Organisation von Arbeitnehmern in Unternehmen des Gesundheits- und Pflegebereichs unterstützen können. Der EGÖD ist über seine Mitglieder bereits in den Konzernen Fresenius, Orpea und Clariane präsent, setzt sich derzeit für die Einrichtung eines EBR bei Colisée und Norlandia ein und bald auch in den beiden Gruppen Domus Vi und Dibber (s. Mitteilung).


Europäische Gesellschaft

Umstrukturierung : Der Konzern Clariane , der sich in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage befindet, sieht sich gezwungen, seine Finanzstruktur zu stärken und Geschäftsbereiche zu veräußern (s. Pressemitteilung). Vor diesem Hintergrund haben die Unternehmensleitung und der SE-Betriebsrat (SE-BR) auf der Vollversammlung des Gremiums zur Umstrukturierung eine gemeinsame Erklärung angenommen. Dieses Vorgehen steht im Einklang mit der europäischen Gesetzgebung, wonach der soziale Dialog durch den frühzeitigen Austausch von Informationen Umstrukturierungen erleichtern soll. Laut Erklärung hofft der SE-BR „mit dem Konzern zusammenzuarbeiten, um dessen Beschäftigte im besten Interesse aller Beteiligten in der Krise in diesem Sektor zu unterstützen“. „Bei bereits angekündigten Vorhaben zur Veräußerung von Geschäftsbereichen“, wird der SE-BR „die Bedingungen für den Verkauf“ prüfen und seine Stellungnahme dazu abgeben, „damit sie berücksichtigt wird“.  Der SE-BR „kann Gutachter seiner Wahl hinzuziehen, […] um die Vorhaben des Unternehmens bewerten zu können“. Die Parteien „bekräftigen gemeinsam, dass sie weder bei der Qualität der Pflege und den Dienstleistungen für Bewohner und Patienten, noch bei den Arbeitsbedingungen der Beschäftigten von Clariane Kompromisse akzeptieren werden“.


Transnationale Verhandlungen

Diversität und Inklusion : Der EBR und die Geschäftsleitung des italienischen Versicherers Generali unterzeichneten am 14. November eine gemeinsame Erklärung zu Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion. Der Text hat keinen normativen Charakter, sieht auch keine spezifischen verbindlichen Maßnahmen vor, legt jedoch die Grundsätze für einen respektvollen Umgang in jeder Geschäftseinheit der Gruppe fest.  Eine frühere, am 26. Juni 2019 unterzeichnete gemeinsame Erklärung zu Vielfalt und Inklusion wird durch den Begriff „Gleichberechtigung“ ergänzt.  Die Erklärung nimmt Bezug auf die EU-Richtlinie zur Lohntransparenz und nennt die Abschaffung eines geschlechtsspezifischen Lohngefälles sowie das Recht auf Nichterreichbarkeit als Ziel der Gruppe. In einer Zeit, in der die Unternehmen des Sektors Mühe haben, Spitzenkräfte anzuwerben und zu halten, möchte Generali auf diese Weise als Arbeitgeber attraktiver werden. Laut EBR-Vorsitzender Carole Bourner „verfügen die meisten großen Länder der Gruppe (gemessen an der Zahl der Beschäftigten) bereits über Tarifverträge, die diese Bereiche abdecken. Die Erklärung dient somit den Arbeitnehmervertretern in den anderen Ländern als Anhaltspunkt, um die Themen Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion mit ihren Geschäftsleitungen nach den landesüblichen Praktiken der Arbeitsbeziehungen anzusprechen“.



Ältere Arbeitnehmer : Nach zwei Chartas (Phase I und Phase II) zur Förderung von Gesundheit und Wohlergehen der Beschäftigten weltweit haben die Geschäftsleitung der Axa Gruppe und ihr EBR (CEG) eine Charta mit Verpflichtungen zur Beschäftigung von Mitarbeitern der Generation 50+ unterzeichnet. Diese Charta nimmt die Bedingungen der Charta Landoy wieder auf, die bereits in einer Hauptgeschäftsstelle der Gruppe in Frankreich angewandt wird. Die neue Charta wird nun phasenweise von 2024 bis 2026 umgesetzt. Besonderen Wert legt die Gruppe auf „eine motivierende, inklusive und wertschätzende Kommunikation zum Thema Arbeitnehmer 50+“ sowie auf die erneute Bestätigung des Rechts auf Weiterbildung, „ungeachtet des Alters“.

 


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